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Woche #4

Nachhaltig Bauen

Das Thema Nachhaltigkeit ist aktuell in aller Munde. Auch der Bausektor wird immer wieder als einer der großen CO2-Verursacher genannt. Doch was bedeutet dies für die Baubranche und mit welchen Maßnahmen kann man hier Klimaneutralität erreichen? 
 
Wir möchten einige Beispiele für nachhaltiges Bauen in Hamburg vorstellen. Doch zuerst ein Überblick, mit welchen Tools Nachhaltigkeit im Bausektor umgesetzt werden kann. 
 
Gute und flexible Räume planen. Die Anforderungen und Nutzungen ändern sich immer wieder. Statt umzuziehen, wäre es doch praktisch, wenn man die Raumaufteilung ändern könnte. Oder wie bei Hausgenossenschaften üblich, innerhalb des Hauses in eine andere Wohnung zu wechseln. So bleibt auch das soziale Gefüge erhalten. 
 
Bestandsbauten klug modernisieren. Dämmung ja, aber nicht um jeden Preis. Auch das richtige Material bestimmt, ob eine Dämmung gut ist. Viele Experten warnen schon heute vor den riesigen Problemen durch Dämmmaterialien wie Styropor. Diese sind häufig mit anderen Bauteilen verklebt, dadurch schwer zu trennen und damit ein Fall für den Sondermüll. Die am Bau eingesetzten Materialien sollten schon in der Herstellung einen möglichst niedrigen CO2-Fußabdruck haben oder zu 100 Prozent wiederverwertbar sein. 
 
Nur wenig Haustechnik nutzen. Jede Technik hat Wartungsintervalle, allein dies ist schon ein Mehraufwand. Nach ein paar Jahrzehnten ist die Technik dann so veraltete, dass neue Technik eingebaut werden muss. In vielen Fällen ist das mit viel Aufwand verbunden. Haustechnik kann durch kluge Lösungen eingespart werden. 
 
Eigene Energie erzeugen. Hier kann Technik durchaus einen guten Zweck erfüllen. Ob Wind, Sonne oder Geothermie, es gibt viele Möglichkeiten, die naturgegebenen Ressourcen vor Ort zu nutzen. Dass wir diese Möglichkeiten ungenutzt lassen, ist einfach unklug. 
 
Recyclefähige Materialien verwenden. Wenn wir uns sicher sein könnten, dass ein Haus 100 Jahre oder länger genutzt wird, dann wäre dieser Punkt wohl zu vernachlässigen. Aktuell geht man bei Bürogebäuden jedoch von einer Nutzungsdauer von nur 50 Jahren aus. Danach werden die Gebäude häufig abgerissen. Viele der Materialien können aktuell nicht gut recycelt werden. Bis sich die Wiederverwertung als Standard durchgesetzt hat, wird es leider noch einige Zeit dauern. 
 
Für eine lange Lebensdauer planen. Wie beliebt 100 Jahre alte Gebäude sind, sieht man an den gefragten Gründerzeithäusern. Und das, obwohl die Grundrisse schon lange nicht mehr den heutigen Anforderungen gerecht werden. Ob ein Gebäude 100 Jahre und länger genutzt werden kann, hängt von den oben genannten Punkten ab. 
 
Möglichst kein Gebäude mehr abreißen. Alles, was einmal gebaut wurde, bindet die damals eingesetzte Energie. Wird ein Gebäude abgerissen, wird diese zerstört. Durch relativ niedrige Wiederverwertungsquoten entsteht eine hohe Energievernichtung. Denn selbst das Recyceln benötigt wieder neue Energie. Besser wäre es, Gebäude umzubauen, statt neu zu bauen und den Rückbau so gering wie möglich zu halten. Um dies in Zukunft einfacher möglich zu machen, ist auch eine Anpassung der Baurichtlinien notwendig. 

Treehouses

Zwei Stockwerke mit Schrägdach, so sah es noch 2008 in Bebelallee 64 bis 70 aus. Zwei Jahre später ist daraus ein Beispiel für nachhaltiges Bauen geworden. 


In den 1950er und 60er Jahren gab es einen riesigen Bedarf an Wohnungen. Bis dahin lebten viele Menschen infolge des Zweiten Weltkriegs in einfachen Behausungen. Jede neue Wohnung war also damals ein Segen. Die zu der Zeit einfachen Bauvorschriften und der große Bedarf führten häufig zu einer schnellen und simplen Bauweise. 

So fragt man sich heute vielmals, wie man diese Gebäude aufwerten kann, denn jedes nicht abgerissene Haus ist ein gutes Haus. 

Im nördlichen Teil der Bebelallee stehen eine Reihe von Wohnblöcken aus den 1950er Jahren, die unter der damals angesagten Prämisse der „aufgelockerten Stadt“ in Abständen entlang der Straße angeordnet sind. 


Das Büro Blauraum (heute aufgeteilt in blrm und Architekten Venus) hat diese Grundlage für einen nachhaltigen Umbau genutzt. Die zweistöckigen Gebäuderiegel wurden um weitere zwei Stockwerke erweitert. Damit die Konstruktion des Hauses die Aufstockung tragen kann, wurde dies in leichter Holzbauweise ausgeführt. Gleichzeitig konnte mit dem nachhaltigen Baustoff eine schnelle und vor allem geräuscharme Bauzeit vor Ort ermöglicht werden. Denn bei Holzbauweise wird, wie hier, meist mit vorgefertigten Bauelementen gearbeitet. Dabei werden ganze Wandteile nur noch in ihre Position gehoben und verankert. Im Zuge der Aufstockung wurde der Bestandsbau gedämmt. Die Häuser haben heute nicht nur eine moderne Optik, sondern können nun auch den Anforderungen der nächsten Jahrzehnte gerecht werden. 


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Woodcube

Vor zehn Jahren entstand im Süden Hamburgs eine ökologische Innovation, die heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten ist. 

Die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 in Hamburg war ein Testlabor für nachhaltiges Bauen mit wegweisenden Projekten. Ein Highlight ist der Woodcube am Inselpark, gegenüber der Hamburger Baubehörde gelegen und nur wenige Gehminuten von der S-Bahnstation Wilhelmsburg entfernt. 

Der Bau aus Holz wurde ohne Leim, PVC oder andere biologisch bedenkliche Chemie gebaut.

Das Gebäude ist komplett CO2-neutral und zudem ein Passivhaus. Als dieses darf es maximal 1,5 Liter Heizöl (15 kW) pro Quadratmeter und Jahr verbraucht werden. 

Dazu kommt, dass das Bauwerk, laut dem Projektentwickler DeepGreen, komplett Biorecyclingfähig ist. Ein Gebäude mit diesen Eigenschaften ist noch heute selten zu finden und war 2013 absolut herausragend. 

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Roots

In der Hamburger HafenCity entsteht mit Roots das derzeit höchste Holzhochhaus Deutschlands. Ein Titel, der für das Marketing gut genutzt werden kann, aber bald wieder obsolet sein wird. Was bleibt, sind ganz andere Dinge. Denn mit diesem Projekt haben die Planer in mühevoller Kleinarbeit nichts weniger als deutsche Baugeschichte geschrieben. 

Grund dafür ist, dass beim Stellen des Bauantrags keiner wusste, wie man nach deutschem und Hamburger Baurecht ein Holzhochhaus dieser Höhe baut. 

Zusammen mit dem Bauamt und allen Beteiligten, vom Projektentwickler Garbe über den Tragwerkplaner Assmann bis zum Architekturbüro Störmer Murphy and Partners, wurden die Details ausgearbeitet, um den Bau umsetzen zu können. Mit dem dabei geschaffenen Baurecht haben es heutige Planerinnen und Planer von Holzhochhäusern viel einfacher. Doch auch Roots würde heute in einigen Details anders aussehen, denn inzwischen wurde das Baurecht weiter angepasst. 

Das ist nur eine der vielen interessanten Geschichten zu dem Gebäude. Wir könnten noch davon berichten, dass es für einen ganz anderen Bauplatz gedacht war und nur durch das Engagement des Projektentwicklers und des Architekturbüros heute überhaupt im Baakenhafen entsteht. Aber dazu vielleicht später mal mehr.

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Vivo

Eigentlich sollte dies ein ökologisches Vorzeigeprojekt werden. Doch das geplante Nutzungskonzept für Vivo ging nicht auf. 

Die verschiedensten Ökoprojekte, vom ökologischen Finanzanbieter bis zum Bio-Laden, sollten unter einem gemeinsamen Dach ihr Zuhause finden. Doch stattdessen wurde das Gebäude mit klassischem Einzelhandel und städtischen/behördlichen Anlaufstellen gefüllt. 

Jetzt wird das Gebäude zu einem Geschenk an zukünftige Generationen.

Das bisherige Shoppingcenter wird in eine Schule umgenutzt. Hier entsteht ein Lernort mit einem neuen, offenen Lernkonzept, bei dem die offene Struktur des Gebäudes gleichwohl zur Blaupause der neuen Schule wird. Die Umnutzung ist an sich schon ungewöhnlich, dass dadurch gleich ein neues Schulkonzept entsteht, ist auf jeden Fall erstaunlich. 


Beim Umbau soll so viel wie möglich erhalten bleiben und die Teile, die ausgetauscht werden sollen, sollen in eine Wiederverwendung überführt werden. Das klappt auch so gut, weil das Gebäude vor 20 Jahren schon außergewöhnlich gut geplant wurde. Diese Art von Werterhalt durch Umnutzung brauchen wir noch viel mehr. 

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Bunker St. Pauli

Zwischen Rotlichtviertel, Hamburger Messe und St. Pauli Stadion ragt ein großer grauer Betonklotz empor. 

Der ehemalige Flakbunker dürfte schon heute vielen Touristen bekannt sein. Friedlich genutzt wird er schon seit langem, von Büro und Einzelhandel genauso wie von einem Musikclub. Allein dadurch ist der Bunker ein Beispiel für Nachhaltigkeit. 
Doch jetzt wurde dem Ganzen noch eins obendrauf gesetzt, und das, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn auf dem Dach des Bunkers wurde ein Hotel gebaut. Das allein wäre nur ein kluges Immobilien-Investment.

Das Besondere ist, dass im Zuge dessen das gesamte Dach begrünt wird. Damit wird der Stadt eine grüne Ecke geschenkt, mit der das starke Aufheizen der Stadt verringert werden kann. So wird es zu einem der vielen kleinen Bausteine, mit denen in Zukunft das innerstädtische Klima verbessert wird. 

Ganz nebenbei wird dem Bunker ein wenig von seiner bedrohlichen Erscheinung genommen. Mit dieser klugen Überformung wird die heutige Nutzung nach außen transportiert. Ein Denkmal, das an die Schrecken des Krieges erinnert, bleibt es trotzdem, eines, in dem sich jedes Wochenende eine gut gelaunte Partycrew trifft. 

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Baakendocks

Nachhaltigkeit ist nicht immer gleich sichtbar – warum auch.

Bei dem Wohngebäude für die Baugruppe „Tor zur Welt“ wird Nachhaltigkeit gleich auf mehreren Ebenen umgesetzt. Da ist zuerst einmal die Keramikfassade, die beständig und wartungsarm ist. Weiterhin ist das Gebäude überwiegend mit Brettschichtholz gebaut. Nur die Treppenkerne sowie alle Gebäudeteile unterhalb des dritten Obergeschosses sind in Stahlbeton ausgeführt. Für letzteres ist der notwendige Hochwasserschutz in der HafenCity verantwortlich.

Das nachhaltigste Element des Gebäudes sind jedoch seine Grundrisse. Diese wurden zusammen mit den zukünftigen Bewohner*innen und der umfangreichen Erfahrung der Planenden erarbeitet. Am Anfang stand die Ermittlung konkreter Bedürfnisse der Mieter*innen. Eine Voraussetzung, die in der Regel nur bei einer Baugruppe als Bauherrenschaft überhaupt möglich ist. Auf dieser Basis haben die Architekt*innen die Grundrisse anpassungsfähig gestaltet. Damit wird eine langfristige und zufriedenstellende Nutzung der Bewohnerinnen und Bewohner sichergestellt, ein Beispiel für gut geplante Nachhaltigkeit. 

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Moringa

Wenn dieses Projekt einmal fertiggestellt ist, steckt darin viel Pionierarbeit. Denn das Projekt „Moringa“ wird nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gebaut. Dabei werden ausschließlich Baustoffe eingesetzt, die bei einem Rückbau sortenrein getrennt werden können. Das gilt auch, wenn Bauteile aufgrund einer Reparatur ausgebaut werden müssen. Eine sortenreine Trennung macht überhaupt erst ein vollständiges Recycling und damit eine vollständige Rückführung in die Produktion möglich. 

Mit Cradle-to-Cradle wird also ein echter Material- und damit Ressourcenkreislauf erreicht.

Das Problem ist, dass es bisher nur wenige Anbieter gibt, deren Produkte sich sortenrein trennen lassen. Ein Beispiel ist die im Baubereich häufig genutzte Gipskartonplatte. Diese kann bisher nur zu 60 Prozent recycelt werden. Wie viel davon in einen Produktionsprozess zurückgeführt wird, sagen die Zahlen nicht. Nicht nur die Hersteller mit den passenden Produkten müssen gefunden werden, auch die Handwerksunternehmen, die diese Produkte einbauen können, sind in einigen Bereichen schwer zu finden. Am Ende wird „Moringa“ ein Vorbildprojekt sein, das hoffentlich Ansporn für andere Bauherren sein wird. 

Rendering: Landmarken/rendertaxi

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Über uns

Bauwerke prägen unsere Umwelt wie kaum etwas anderes. Doch welche klugen Köpfe stecken hinter den Gebäuden? Mit „Map of Architecture“ bringen wir hier Licht ins Dunkel. In Hamburg sind die Angaben von mehr als 12.000 Häusern verfügbar, in anderen Städten gibt es erste Einträge, z.B. in Kopenhagen.