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Woche #12

Villen in Hamburg

Das Hamburger Understatement ist häufiger mal langweilig. In Hamburg-Harvestehude reiht sich zum Beispiel eine weiße Villa an die Nächste. Dort kommen dann regelmäßig Menschen in weißen Hemden oder weißen Blusen heraus, letztere sind höchstwahrscheinlich mit einer weißen Perlenkette geschmückt. 

An einigen Orten der Stadt haben wir ein paar Alternativen aufgestöbert. Allerdings, ohne eine weiße Villa ging es auch bei uns nicht. Das Landhaus Michaelsen, vielen als Puppenmuseum bekannt, zählt vor 100 Jahren zu den ersten Gebäuden weltweit, die im Stil des Neues Bauens entstanden sind.

Wie sich dieser Baustil noch heute auswirkt, zeigen beispielhaft die weiteren fünf Projekte. 

Strandhaus an der Elbe

Man könnte hier, ans Falkensteiner Ufer, auch herkommen, um das viel gepriesene, sanierte und umgebaute Wasserwerk anzuschauen. Aber kurz bevor man dort ankommt, wird man abgelenkt – von einem rot-orangenen Ziegelbau. 
 
Das Wohnhaus, das ehemals für Mitarbeiter des Wasserwerks errichtet wurde, ist von BUB Architekten komplett umgekrempelt worden. Einmal auf links und mit 90 Grad gewaschen, könnte man sagen. Die Bauten wurden zwar in ihrer äußeren Form erhalten, von rotem Klinker, Dachüberstand und langweiligen Tür und Fensteröffnungen ist aber nichts mehr zu sehen. Ein Glück! 
 
Stattdessen erwartet einen nun moderne Architektur mit einem ungewöhnlichen Ziegel, der wie eine Haut gleichzeitig über beide Gebäudeformen gezogen wurde. Die schmalen, hohen Fenster zur Straße hin machen hier endlich mal Sinn und werden mit einer großzügigen Glasfassade gen Süden mit einem Elbblick honoriert und kombiniert. Man kann wohl sicher sagen, dass dieses Ergebnis nur mit einer mutigen und kreativen Bauherrin möglich war – und einer guten Architektin. 
 
Äußerst bemerkenswert und deswegen unbedingt zu erwähnen ist, dass die hier notwendigen Flutschutzmaßnahmen auf eine Art integriert wurden, durch die diese praktisch unsichtbar sind. 

Architektur: BUB Architekten 
Standort auf www.mapofarchitecture.com 

Beitensemble

Beitensemble
 
Der Mittelweg in Hamburg ist bekannt für seine exklusiven Wohnhäuser. Das Haus am Klosterstieg dürfte aber die prächtigste Villa rund um den Mittelweg sein. Entstanden ist das Haupthaus zu einer Zeit als sich reiche Geschäftsleute ihre Wochenend-Residenzen an die Außenalster bauten. Die damalige Stadt, innerhalb des Wallrings, war einfach zu dreckig. 
 
Diese Villa wurde von Alfred Beit für seine in Hamburg lebenden Mutter in Auftrag gegeben. Beit war da schon einer der reichsten Männer der Welt. Er galt als Finanzgenie und war Mitbegründer von De Beers, bis heute der weltweit größte Diamantenproduzent. Die Villa wurde im Jahr 1896, 8 Jahre nach Gründung von De Beers, fertiggestellt. Auch wenn die Räume natürlich kleiner sind, kann man die Innenausstattung mit der der Hamburger Kunsthalle vergleichen. Die Mutter von Alfred Beit zog im hohen Alter von 84 Jahren in die Villa und lebte hier noch zwölf Jahre lang. 
 
Im Jahr 2012 erhielt die Villa einen Anbau, der von Hamburger Architekten Charles de Picciotto entworfen wurde. Dieser setzt sich in seiner Gestaltung klar von dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude ab und macht damit gar nicht erst den Versuch, an dessen Opulenz anzuknüpfen. Vielmehr ist der Anbau eine zeitgemäße Weiterentwicklung, der sich zur Aufgabe gemacht hat, elegant in der zweiten Reihe zu stehen.  


Architektur Anbau und Sanierung: Charles de Picciotto   www.depicciotto.de
Standort auf www.mapofarchitecture.com 

Villa Baurs Park

Die Entwürfe von David Chipperfield haben eine klare und zurückhaltende Formsprache. Alle Details sind aufeinander abgestimmt und ergeben in den allermeisten Fällen den entscheidenden Vorsprung an Eleganz. Genau diese Kombination wird in Hamburg sehr geschätzt. Denn dies unterstreicht die hier gepflegte und zur Schau gestellte Zurückhaltung. Es ist also kein Wunder, dass es inzwischen einige Gebäude aus der Feder des britischen Architekten in Hamburg gibt. Dazu gehören auch mindestens zwei Villen, eine davon steht in Blankenese. 
 
Einen besseren Ort lässt sich in dem noblen Hamburger Stadtviertel kaum finden. Nur gute 10 Minuten zu Fuß vom Blankeneser Marktplatz entfernt in einer kleinen Seitenstraße mit Blick auf Elbe und Treppenviertel. Mehr geht einfach nicht, hier mitten Blankenese. 
 
Das Grundstück ist groß genug, um einen gepflasterten Hof mit einem ausreichend großen Carport zu beherbergen, der an der Einfahrt zur mächtigen Villa liegt. Ein nicht zu kleines Stück Garten fehlt ebenfalls nicht. Damit das Gebäude nicht zu massiv wirkt, ist es nicht einfach ein großer Kubus, sondern hat viele Vor- und Rücksprünge in der Fassade. Teilweise sind diese nur in einem der beiden oberen Stockwerke, welche sich nach oben hin unregelmäßig zurücksetzen. 
 
Die klassischen Klinkerfassaden wurden ohne zierende Spielereien umgesetzt. Die Eleganz geht von den großen und perfekt platzierten Fenstern aus. Ein wirklicher Gesamteindruck lässt sich aufgrund der mit meterhohen Grünpflanzen bestückten Grundstücksgrenze kaum erhaschen. Am Eingangstor stehend wird jedoch klar, mit welchem unfassbar schönen Blick dieses Grundstück ausgestattet ist. Angesichts dessen wäre man hier wohl mit einer halb zerfallenen Holzbude zufrieden. 


Architektur: David Chipperfield 
Standort auf www.mapofarchitecture.com 

 

Villa Ingwersens Weg

Weiß gestrichene Häuser, Hanglage, südländisches Flair (im Sommer und bei Sonnenschein), das Treppenviertel in schicken Hamburg-Blankenese ist wohl unbestritten einer der bezauberndsten Orte der Stadt. Hier kommen nicht nur Besucher, sondern auch Hamburgerinnen und Hamburg gern mal her, um durch die schmalen Gassen und an den kleinen Häusern zum Strand zu schlendern. 

Dass hier vor dem Bau der Elbbrücken die wichtigste Elbquerung per Fähre gen Süden war, wissen dagegen wenige. Weithin bekannt ist dagegen, dass die Ansiedlung ein ehemaliges Fischer- und später Lotsendorf ist. Zwischen den vielen weiß gestrichenen kleinen und großen Häusern versteckt sich seit einigen Jahren eine moderne Villa. Der graugrüne Natursteinwürfel schiebt sich in den Hang. Durch den verwendete Fassadenmaterial nimmt sich das Gebäude optisch weitgehend zurück und überlässt den Fischerhäuschen die Bühne. 

Da vor dem Haus nicht mehr viel Platz ist, wurde die Terrasse seitlich vom Haus angelegt. Obwohl die Straße nur 50 Meter Luftlinie entfernt ist, kann die Villa nur über eine der viele Treppen erreicht werden – so wie die meisten Häuser im Viertel. Doch die Eigentümer haben Glück. Offensichtlich über eine Absprache mit dem Nachbargrundstück, das darunter an der Straße liegt, gibt es doch einen speziellen Zugang zu dieser. Dort endet ein Transportlift, mit dem die Einkäufe und andere Lasten nach oben zur Villa hinaufgefahren werden können.  


Architektur: MRLV Architekten 
Standort auf www.mapofarchitecture.com 

 

Landhaus Michaelsen

Bei der Fertigstellung 1923 war der Bau faszinierend und gleichzeitig eine komplette Unmöglichkeit. Denn so hatte man in Hamburg noch kein Landhaus gebaut. Für Hamburg bzw. den damaligen Vorort Blankenese ist es eines der frühesten Bauten der Neuen Sachlichkeit, landläufig als Bauhaus-Stil bekannt, und in diesem Sinne in Hamburg einmalig. Es fand schnell internationale Beachtung, auch weil es schon im ersten Band der von Gropius herausgegeben Bauhausbücher erwähnt wurde. 
 
Das großzügige Gebäude ist im Inneren eher kleinteilig, vermutlich um dort eine gewisse Geborgenheit zu vermitteln. Die Bühne ist auch hier mal wieder die Natur mit Elbe und dem Alte Land auf der gegenüberliegenden Elbseite. Damit diese Aussicht entstehen konnte, wurde das Gelände an und um den Bauplatz weitreichend neu geformt. Eingebettet ist das Haus in eine großzügige Parkanlage, ein Fußweg führt bis zur Elbe. 
 
Gebaut wurde das Landhaus für das Ehepaar Michaelsen, die hier nur kurz lebten. Von 1955 bis 1980 wohnte dann der Verleger Axel Springer in dem Haus. Danach ging der völlig vernachlässigte Bau an die Stadt Hamburg, die diesen nicht nutzte und weiter verfallen ließ. Die Galeristin Elke Dröscher rettete dieses baugeschichtliche Kleinod, saniert das Gebäude von Kopf bis Fuß und richtete dort ihr Puppenmuseum ein, das sie dort bis heute betreibt. 
 
Der Architekt, Karl Schneider, hat später den Gesamtplan für die Jarrestadt entworfen und dort auch einen Gebäudekomplex gebaut. Unter den Nationalsozialisten wurde seine Architektur als entartet eingestuft. Wenige Jahre nach seiner Übersiedlung in die USA 1938 starb er dort viel zu früh im Alter von 53 Jahren. 

Architektur: Karl Schneider 
Standort auf www.mapofarchitecture.com

 

Villa Blankenese

Schon in Blankenese, rund um den Bahnhof und die Marktkirche, ist es ein wenig beschaulich. Wer weiter gen Westen in Richtung Falkenstein fährt, entdeckt den wirklich beschaulichen Teil von Blankenese. Bald werden die Abstände der Häuser an der Straße größer, ein Wald fängt an. Hier stehen noch die klassischen Landhäuser, die trotz ihrer Größe einen kleinbürgerlichen Charme ausstrahlen. 
 
Mitten drin kommt eine ganz andere Gattung zum Vorschein. Kein Landhausstil mit kleinbürgerlichem Charme, vielmehr blitzt hier plötzlich großstädtisches Villenflair auf. Stringent parallel zur Straße ausgerichtet zieht ein bronzefarbener Ziegelbau, leicht geduckt vorüber. Stopp! 
 
Bei genauer Betrachtung fällt sofort auf, dass der Dachüberstand fehlt und der Ziegel nicht nur die Fassade, sondern auch das flache Schrägdach bedeckt. Damit bekommt der gesamte Bau seine geschlossene und besonders klare Form. Der Eingangsbereich sowie das Tor zur Garage setzt sich durch Glas und vor allem mit einem hellen Holz ab. Der Materialbruch macht das Gebäude auf eine zurückhaltende Art einladend, der Eingang wird durch einen Rücksprung in der Fassade klar definiert. 
 
Auf der Gartenseite, in Richtung Süden und Ausblick, dominieren große Glasflächen. Die langen Glasbänder strukturieren die Fassade messerscharf. Hier wirkt das Gebäude eher wie ein zweistöckiger moderner Pavillon. Diese Klarheit trifft auf ein welliges Gelände, in dem die Terrassen als Vermittler auftreten und so die Natur sacht umarmen.

Foto: Hagen Stier


Architektur: DFZ Architekten   www.dfz-architekten.de

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Über uns

Bauwerke prägen unsere Umwelt wie kaum etwas anderes. Doch welche klugen Köpfe stecken hinter den Gebäuden? Mit „Map of Architecture“ bringen wir hier Licht ins Dunkel. In Hamburg sind die Angaben von mehr als 12.000 Häusern verfügbar, in anderen Städten gibt es erste Einträge, z.B. in Kopenhagen.